Flüchtlinge als Gasthörer gemeldet

Universität Jena erhält vom DAAD Fördermittel für Programme zur Integration von Flüchtlingen

Erst zu Beginn des Monats hat sich die Thüringer Landesregierung dafür ausgesprochen, Flüchtlingen mit entsprechenden Voraussetzungen den Zugang an eine Hochschule zu erleichtern. Mit der kostenlosen Gasthörerschaft für Flüchtlinge hat die Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) bereits ein Programm zur Integration von Flüchtlingen gestartet. Nun hat der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) auch einer Förderung dieses Programms aus Mitteln der Programmlinie „Integra“ zugestimmt. Dem Internationalen Büro der Universität ist es gelungen 24.780 Euro einzuwerben, die der Eingliederung von Flüchtlingen in ein Fachstudium dienen. Die Mittel werden dabei vor allem für die Finanzierung von Deutschkursen genutzt. Denn die Sprachkenntnisse seien bei vielen noch zu gering, um schon jetzt ein Fachstudium aufnehmen zu können, so Dr. Britta Salheiser vom Internationalen Büro.

Im aktuellen Sommersemester haben sich 43 Flüchtlinge für das Gasthörerprogramm der FSU angemeldet. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus Syrien, zwei aus Afghanistan und drei von ihnen aus dem Irak. Sieben der über 40 Gasthörer besitzen bereits fortgeschrittene Deutschkenntnisse und einen dem deutschen Abitur gleichwertigen Schulabschluss. Sie haben sich für das Intensiv-Gasthörerprogramm mit verstärktem Deutschunterricht und mehreren Fachvorlesungen gemeldet, um sich auf das Studium in Deutschland vorzubereiten. Einer Syrerin konnte es sogar ermöglicht werden, am Vorbereitungskurs für die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) teilzunehmen, die eine wichtige Voraussetzung für die Zulassung zum Fachstudium ist.

Für die Gasthörenden sind besonders offene Vorlesungen aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften, Informatik sowie einzelnen Geisteswissenschaften spannend. Interesse besteht auch bei den medizinischen Fächern. Hier wurden die Flüchtlinge beraten, welche Fachveranstaltungen benachbarter Fächer für sie geeignet sind.
Der DAAD unterstützt die FSU bereits mit einer Fördersumme von 24.750 Euro im Welcome-Programm. Diese Mittel werden für Hilfskräfte eingesetzt, die Flüchtlinge an der Universität beraten und betreuen. Diese Studierenden organisieren außerdem ein buntes Semesterprogramm, welches die Einführung in das deutsche Studiensystem und die Integration in Uni und Gesellschaft befördert. Für alle Flüchtlinge, die sich aktuell an der FSU angemeldet haben, konnten studentische Mentoren gewonnen werden, die ihnen bei der Stundenplangestaltung helfen und ihnen den Studierendenalltag näherbringen.

Neben der kostenlosen Gasthörerschaft, die eine Teilnahme an den Vorlesungen zunächst auch ohne Hochschulzugangsvoraussetzung ermöglicht, werden alle Studieninteressierten vom Internationalem Büro und Master-Service-Zentrum zu Einschreibung, Zugang und Studienfinanzierung beraten.

Mit dem „Welcome“- sowie „Integra“-Programm möchte das Internationale Büro auch im kommenden Wintersemester Flüchtlingen einen Weg in die Gasthörerschaft oder ins Studium an der FSU Jena eröffnen. Da die Mittel nur für das Kalenderjahr zur Verfügung stehen, erhofft sich das Internationale Büro eine Weiterförderung, um die begonnenen Maßnahmen auch im kommenden Jahr fortsetzen zu können.

Weitere Informationen für Interessierte sowie Betreuerinnen und Betreuer von geflüchteten Menschen sind zu finden unter: http://www.uni-jena.de/fluechtlinge.html.

Therapeutenausbildung im Nordirak zur Behandlung traumatisierter Flüchtlinge

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer: Bekämpfung von Fluchtursachen erfordert psychologische Betreuung vor Ort

Professor Jan Ilhan Kizilhan: Erfahrungen aus Flüchtlingscamps lassen dauerhaften Bedarf erwarten

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg unterstützt die Ausbildung von Therapeutinnen und Therapeuten in der baden-württembergischen Partnerprovinz Dohuk im Nordirak. Wissenschaftliche Partner sind die Duale Hochschule Baden-Württemberg und die Universität Tübingen. An der Universität Dohuk soll hierzu ein leistungsfähiges Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie aufgebaut werden.

Initiiert wurde das Projekt von Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan von der DHBW Villingen-Schwenningen. Ziel ist die Behandlung traumatisierter Flüchtlinge in Kliniken, Betreuungseinrichtungen und in den Flüchtlingscamps vor Ort. Es handelt sich hierbei um ein unmittelbares Folgeprojekt des baden-württembergischen Sonderkontingents der Landesregierung für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak.

„Der sogenannte Islamische Staat hinterlässt eine Spur der Verwüstung“, erläutert Ministerin Theresia Bauer ihre Entscheidung. „Tausende Frauen wurden vergewaltigt, Kinder versklavt, Männer hingerichtet. Wenn wir über die die Bekämpfung von Fluchtursachen sprechen, dann gehört dazu eine psychologische Betreuung der zum Teil schwer traumatisierten Menschen vor Ort.“

Prof. Jan Ilhan Kizilhan berichtete von seinen persönlichen Erfahrungen vor Ort: „Es gibt bislang keinerlei Strukturen, die eine dauerhafte Behandlung gewährleisten würden. Hier ist echte Aufbauarbeit gefragt.“

Prof. Kizilhan war im Auftrag der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Sonderkontingent besonders schutzbedürftiger Frauen und Kinder aus dem Nordirak tätig. Er erhielt dafür im Rahmen des diesjährigen Geneva Summit for Human Rights and Democracy am 23. Februar 2016 den Geneva Summit 2016 Women’s Rights Award. Vorgeschlagen wurde er für die Auszeichnung von US-Senatoren.

In Folge dieses Engagements entwickelte er gemeinsam mit Prof. Dr. Martin Hautzinger von der Universität Tübingen ein Konzept zur Ausbildung von Therapeutinnen und Therapeuten an der Universität Dohuk, an dem sich auch das Kurdistan Regional Government Ministry of Health in Dohuk beteiligen möchte.

Baden-Württemberg legt den Grundstein – Weitere Unterstützer gesucht

Das Wissenschaftsministerium finanziert den Grundbaustein von rund einer Million Euro. Damit kann die Gründung und der Aufbau eines Instituts an der Universität Dohuk sichergestellt werden.

Regelmäßige Lehrveranstaltungen in Baden-Württemberg und Dohuk im Sinne eines wechselseitigen Austauschs sind elementarer Bestandteil der Konstruktion. Darüber hinaus soll ein E-Learning-Modul entwickelt werden. Die Praxisanteile sollen in Flüchtlingscamps, Kliniken und Betreuungseinrichtungen vor Ort absolviert werden.

Um Stipendien für zunächst 30 Auszubildende über einen Zeitraum von drei Jahren sicherzustellen, ist die Initiative auf weitere Mittelgeber angewiesen.

„Mit der Unterstützung durch das Wissenschaftsministerium möchten wir ein Signal an weitere Mittelgeber senden, sich für das Projekt zu engagieren“, sagt Bauer.

Ziel sei es, im Sommer dieses Jahres mit dem Projekt zu starten, um im Frühjahr 2017 mit der Ausbildung beginnen zu können. Ein Teil der angehenden Therapeutinnen und Therapeuten soll darüber hinaus eine Zusatzqualifikation erhalten, um dann im Sinne eines „Train-The-Trainer“-Konzepts künftig in der Lage zu sein, selbst auszubilden.

77 Geflüchtete mit erfolgreichem Abschluss der Vorbereitungskurse an der Hochschule Anhalt

Im Januar und Februar 2016 besuchten 80 Geflüchtete vier 7-wöchige Intensivsprachkurse an allen drei Standorten der Hochschule. Die Teilnehmer stammen vorwiegend aus Syrien, wobei ein Drittel bereits ein Studium an den Universitäten Damaskus und Aleppo absolviert hatte. 77 Teilnehmer haben die erste Prüfung erfolgreich abgeschlossen. Sie werden ab März einen Sprachkurs höheren Niveaus, A2, beginnen.

Der Kurs umfasst insgesamt 600 Unterrichtseinheiten und endet im Juli. Nach diesem Abschluss finden im August Willkommensseminare statt, die neben dem Sprachunterricht vor allem Gesprächs- und Weiterbildungsangebote beinhalten. Die inhaltlichen Schwerpunkte sind u.a. der Umgang mit Behörden, Arztbesuche, Schulformen und Kitas, Bildungssystem, berufliche Weiterbildung, Landeskunde, politische Bildung und die Vermittlung von IT-Grundkenntnissen.

Wichtigste Grundlage für eine erfolgreiche Integration der Flüchtlinge ist eine schnelle Eingliederung der jungen Menschen in die deutschen Bildungssysteme. Die Förderung von Talenten gibt den Flüchtlingen eine Chance, sowohl für den deutschen Arbeitsmarkt wie auch für eine spätere berufliche Karriere in ihren Heimatländern, wenn es um einen Wiederaufbau geht.

„Es ist unsere Pflicht als eine der internationalsten Hochschulen Deutschlands Geflüchteten zu helfen, ein Studium in Deutschland aufzunehmen. Aus diesem Grund bieten wir diese hohe Anzahl von Kursen an. Unser Ziel ist es, so vielen Geflüchteten wie möglich zu einer erfolgreichen Zukunft zu verhelfen“, betont Prof. Dr. Dieter Orzessek, Präsident der Hochschule Anhalt.

Neben der Ausbildung hat die Hochschule Anhalt ein Beratungsnetz für Flüchtlinge an allen drei Standorten aufgebaut. Zusätzlich werden Informationsveranstaltungen in Zusammenarbeit mit privaten Bildungsträgern sowie den Agenturen für Arbeit und Jobcentern organisiert. Ca. 15 internationale Studierende mit Sprachkenntnissen in Arabisch, Farsi und Kurdisch unterstützen die Flüchtlingsarbeit von Behörden in der Region. Zusätzlich betreuen deutsche ehrenamtliche Studierende, sogenannte Sprachlotsen, interessierte Geflüchtete bei der Integration in den deutschen Alltag.

Quereinsteiger für die Integration

Fachbereich Sozialwesen der EAH Jena unterstützt Thüringer Träger bei minderjährigen Flüchtlingen

Heute konnten 35 Teilnehmer einer „Modularen Weiterbildung für Quereinsteiger in die Soziale Arbeit mit minderjährigen, unbegleiteten Ausländern“ im Fachbereich Sozialwesen der Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) Jena begrüßt werden.

Hintergrund der Veranstaltung ist der Zuwachs der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge der letzten Zeit in Thüringen. Auf Grund der rasant steigenden Zahlen, ca. 1.250 aktuell, fehlt es an geschulten Fachkräften. Deshalb entstand in Kooperation mit dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und der Fachhochschule Erfurt das angesprochene Programm. Beide Hochschulen bieten die Weiterbildung parallel an, um eine größere Zahl an Interessenten zu erreichen. Ziel soll sein, „…den Fachkräften die Möglichkeit zur Stärkung der Handlungssicherheit zu bieten und die dringend notwendige wissenschaftliche Begleitung in der Arbeit…“ zu stärken.[1]

Aus folgenden Bereichen werden Inhalte vermittelt: Berufspraktische Begleitung, Recht, Methoden der Sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Sozialpädagogik, Psychologie, Übergangsmanagement und Netzwerkarbeit sowie soziologische Aspekte der Sozialen Arbeit und interkulturelle Kompetenz. Das Seminar läuft parallel zur laufenden Arbeit als Blockseminar. So können aktuelle Erfahrungen und Probleme mit einbezogen und thematisiert werden. Am Ende steht ein Zertifikat, das auch ein Anfang zum Studium „Soziale Arbeit“ an der EAH Jena sein kann.

Das Programm startete heute mit einer allgemeinen Einführung in die Hochschule und den Fachbereich. Außerdem wurden erste inhaltliche Aspekte thematisiert, wie zum Beispiel die individuellen Kompetenzen der Teilnehmer. Die Quereinsteiger kommen aus den verschiedensten Berufsfeldern und waren unter anderem Außenhandelskaufmann, Küster oder Schlosser. Es kamen aber auch gelernte Sozialarbeiter sowie Interessenten aus Sozial- und Pflegeberufen. Selbst Migranten aus Syrien und dem Irak wollen sich weiterbilden, um zukünftig minderjährige Flüchtlinge unterstützen zu können. Die beruflichen Kompetenzen der Lehrgangsteilnehmer fließen in ihre zukünftige Arbeit ein und werden es erleichtern, Interesse zu wecken oder kulturelle Spezifika besser zu verstehen.

Die Seminarteilnehmer kommen nicht nur aus verschiedensten Berufsgruppen, sondern sie reisten auch aus ganz Thüringen an, unter anderem aus Altenburg, Meuselwitz und Nordhausen.

Nach dem siebenmonatigen Weiterbildungsprogramm sollen die Teilnehmenden nicht nur geschult, sondern auch Teil eines landesweiten Netzwerks zum Austausch über Probleme, regionale Besonderheiten und individuelle Kompetenzen sein.

Die Qualifizierung von Flüchtlingen ist nötig und lohnt sich

Die Qualifizierung der Flüchtlinge, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, kostet in den kommenden Jahren mindestens 25 Milliarden Euro, wie eine heute veröffentlichte Studie des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie ergab. Zur Finanzierung wie auch zur Überwindung bürokratischer Regeln schlägt der Think Tank einen Refugee Impact Fund vor, der jetzt die Kosten für die Qualifizierungsmaßnahmen trägt und später einen Teil der Mehreinnahmen und Minderausgaben der öffentlichen Haushalte erhält.

Die aktuelle Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) beschäftigt sich mit der Frage, welche Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen bei den Flüchtlingen erforderlich sind, was diese kosten und wie sie finanziert werden können. Allein in diesem Jahr wandern mindestens 800.000, möglicherweise sogar 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland zu. Sollen diese eine Chance haben, als Fachkräfte in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, sind nicht nur Unterbringung und Lebensunterhalt zu finanzieren, sondern vielmehr auch vielfältige Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen notwendig.

„Bildung und Qualifizierung sind der Schlüssel für eine gelungene Integration“, sagt Dr. Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildung- und Sozialökonomie (FiBS). „Nur dann werden aus hunderttausenden Flüchtlingen auch hunderttausende Fachkräfte, die unser Arbeitsmarkt angesichts demografischer Entwicklung gut gebrauchen kann.“ Zu den Kosten für Unterbringung und Lebensunterhalt, wofür nach Berechnungen des Deutschen Landkreistages etwa 15 Milliarden Euro aufzubringen sind, kommen im nächsten Jahr noch einmal 5 bis 7,5 Milliarden Euro für Bildung und Qualifizierung. Langfristig ist bei 800.000 Personen in den nächsten Jahren mit Ausgaben von mindestens 25 Milliarden Euro zu rechnen; sollten 1,5 Millionen Menschen kommen, können es auch 60 Milliarden Euro werden. Dies umfasst Integrations- und andere Sprachkurse, Kosten für Kitas, Schulen wie auch Berufsvorbereitung, Ausbildung oder Studium sowie Anpassungsqualifizierungen. „Es ist angesichts dieser Beträge davon auszugehen, dass die öffentlichen Haushalte die Ausgaben für Bildung und Qualifizierung der Flüchtlinge nicht vollständig tragen können“, meint der Bildungsökonom. „Zudem verhindern rechtliche Vorgaben und bürokratische Prozesse eine schnelle Integration.“

Das FiBS, einer der führenden Think Tanks zum Thema Bildungsfinanzierung in Deutschland und Europa, hat daher ein Konzept für einen Refugee Impact Fund entwickelt, durch den die finanziellen Mittel für diese Maßnahmen kurzfristig bereitstellt werden können. „Der Fonds kann zusammen mit einer unbürokratischen Umsetzung von Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen dazu beitragen, dass die hohe Motivation der Flüchtlinge zu einer möglichst schnellen Integration genutzt wird.“ Trotz des sehr großen Engagements der Beschäftigten in Ministerien, Behörden und Ämtern sowie zahlreicher Freiwilligen dauert es derzeit Monate, wenn nicht länger, bevor mit notwendigen Sprachkursen oder Bildungsmaßnahmen begonnen werden kann. Zeit, die nicht nur viel Geld kostet, sondern auch zu Frustration und Resignation bei den Flüchtlingen beitragen kann.

„Der Fonds ist nicht an die öffentlichen Regeln und bürokratischen Strukturen gebunden,“ sagt Dohmen, „sondern kann eigenständig agieren. Am Ende profitieren davon nicht nur Flüchtlinge und Unternehmen, sondern auch die öffentlichen Kassen. Je eher ein Flüchtling eine Arbeitsstelle findet, desto eher werden aus öffentlichen Ausgaben Steuermehreinnahmen, und die Investition fängt an, sich auszuzahlen.“

Der Refugee Impact Fund kann sowohl Maßnahmen für bestimmte Gruppen von Flüchtlingen als auch Einrichtungen oder einzelne Personen finanzieren, für die ansonsten die öffentliche Hand aufkommen würde. Im Gegenzug partizipiert der Fonds an den späteren Einsparungen und Mehreinnahmen. „Nach unseren Berechnungen ist mit zweistelligen Erträgen in den Staatskassen zu rechnen“, führt der FiBS-Direktor aus. „Wenn der Fonds davon die Hälfte erhalten würde, dann wäre dies eine Rendite von mindestens fünf oder sechs Prozent für die öffentlichen Kassen, aber auch für den Fonds. Dies ist für beide Seiten eine attraktive Rendite, zumal es sich angesichts des zu erwartenden Fachkräftemangels um eine Investition ohne hohes Risiko handeln würde.“ Dies gilt selbst dann, wenn man annimmt, dass nicht aus jedem Flüchtling eine hochqualifizierte Fachkraft wird.

Der Fonds kann von (Lebens-) Versicherungen und Unternehmen, aber auch von Stiftungen und Privatpersonen finanziert werden, für die die Verzinsung attraktiv ist. Spenden sind für die Verfasser der Studie ein wichtiger Beitrag, aber sie werden aus ihrer Sicht nicht ausreichen, um die notwendigen Beträge nachhaltig zu beschaffen, insbesondere nicht, wenn es um längerfristige Förderung geht. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein,“ sagt Dohmen, „dass wir hier nicht über einmalige Kosten reden, sondern über Beträge, die über mehrere Jahre im Milliardenbereich liegen.“

Eine besondere Herausforderung für die Politik in Deutschland ist, dass vergleichbare Beträge auch für die Qualifizierung der hier aufgewachsenen Menschen aufgebracht werden müssen. Wir haben über 7 Millionen Erwachsene, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, eine gleich hohe Zahl an Menschen kann nicht richtig rechnen, schreiben und lesen. „Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, Einheimische und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen,“ betont Dohmen. „Dies würde nur denen in die Hände spielen, die sich gegen Zuwanderung aussprechen.“ Der Refugee Impact Fund ist insofern Teil eines übergreifenden Konzepts für einen Bildungsinvestitionsfonds, der dazu beitragen kann, das Qualifikationsniveau aller hier lebenden Menschen zu verbessern.

Eine Sprachbrücke für Flüchtlinge und Helfer

Das Orientalische Institut der Universität Leipzig stellt in Kürze eine kostenfreie Sprachbrücke für Helfer und Flüchtlinge in Form eines Online-Sprechbuches zur Verfügung, das die Kommunikation von und mit Flüchtlingen auch ohne Dolmetscher in Arabisch, Persisch, Kurdisch und Deutsch möglich machen wird. Zahlreiche Gesprächssituationen wie sie bei Behörden, in Schulen oder beim Arzt auftreten, können abgerufen und auch als Audio abgespielt werden.

Die Initiatoren des Sprechbuchs um Eckehard Schulz, Professor für Arabische Sprach- und Übersetzungswissenschaft, sind zwar davon überzeugt, dass Menschen auch ohne Sprache Wege finden, miteinander in Kontakt zu treten. Wer jedoch beruflich oder ehrenamtlich mit Flüchtlingen zu tun hat, ist auf rasch gelingende Kommunikation angewiesen.

Eine Beta-Version des Sprechbuchs unter dem Titel „Miteinander, das Phrasenbuch!“ ist bereits online. Das Sprechbuch ist thematisch geordnet und bildet eine Vielzahl Situationen ab, die bei Behörden, Vermietern, Schulen oder beim Arzt oder Krankenhausaufenthalt üblicherweise auftreten. Daher findet man statt einzelner Worteinträge vor allem ganze Sätze oder Ausdrücke. Alle Einträge sind als Tonaufnahme abspielbar. Dabei blickt das Sprechbuch in zwei Richtungen, denn es bietet ähnlich einem Gesprächsleitfaden Antwort- und Rückfragemöglichkeiten für beide Gesprächspartner.

Mitarbeiter und Studierende der Arabistik betreiben das Projekt ehrenamtlich. „Die Nutzeroberfläche wird gerade programmiert und die Auswahl der Inhalte läuft parallel. Über eine Feedback-Funktion können Vorschläge zur Aufnahme weiterer Einträge gemacht werden, damit den Bedürfnissen aus der Praxis so weit wie möglich Rechnung getragen wird. Das Konzept der Sprachbrücke ist offen für die Erweiterung durch Sprachen wie Dari, Paschtu oder Urdu“, erläutert Prof. Eckehard Schulz.

http://www.miteinander-phrasenbuch.de

Studie zur Smartphone-Nutzung von Kindern und Jugendlichen

64 Prozent der 8- bis 14-Jährigen können über das Handy bzw. Smartphone auf das Internet zugreifen. Bei den 13- und 14-Jährigen sind es bereits 86 Prozent. Zahlen, die verdeutlichen, wie präsent mobile (Online-)Kommunikation für Kinder und Jugendliche geworden ist. Was bedeuten diese Zahlen für die Lebenswelt von Heranwachsenden? Wie wird das Smartphone im Alltag genutzt? Welche Potenziale und Gefahren stecken dahinter? Wie wirkt sich die digitale Kommunikation auf das Miteinander im Freundeskreis und in der Familie aus? Diesen und weiteren Fragen sind Forscher der Universität Mannheim im Auftrag der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) nachgegangen. Die Ergebnisse der neuen LfM-Studie„Mediatisierung mobil. Handy- und mobile Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen“ präsentierten die Wissenschaftler heute (1. Oktober 2015) im Rahmen der Fachtagung „Always On! Wie Kinder und Jugendliche Smartphones nutzen“ in Düsseldorf.

21 Prozent der Befragten mit auffällig starker Handynutzung; acht Prozent „suchtgefährdet“

Hinsichtlich der Bindung zu ihrem Mobiltelefon zeigen sich bei den befragten Kindern und Jugendlichen erkennbare Unterschiede. Prof. Dr. Peter Vorderer: „Viele sind in der Lage, auch längere Zeit ohne das Handy oder Smartphone auszukommen. Etwa 21 Prozent der Kinder und Jugendlichen weisen jedoch eine sehr starke Bindung auf.“ Dies äußere sich unter anderem dadurch, dass sie „ständig an das Mobiltelefon denken, es auf neue Nachrichten überprüfen oder zum unspezifischen Zeitvertreib nutzen.“ Acht Prozent von ihnen seien so stark involviert, dass sie „als suchtgefährdet bezeichnet werden müssen“.

Smartphone im Freundeskreis

Die hohe Smartphone-Nutzung hat deutliche Auswirkungen auf die Beziehung zu Gleichaltrigen: Als positive Effekte für Freundschaften untereinander nennen die Wissenschaftler z. B. das gemeinsame Anschauen von Fotos und Videos oder das gemeinsame Handyspielen. Allem voran kommt dem Handy aber eine herausragende Bedeutung als Kommunikationsmittel zu, das die Bindungen untereinander stärkt, soDr. Dorothée Hefner. Hier liegt aber auch die Schattenseite der vermehrten Handynutzung: Cybermobbing, Sexting und Happy Slapping sind dabei Verhaltensweisen mit besonders weitreichenden Folgen für die Heranwachsenden. Etwa zehn Prozent haben Cybermobbing bereits als Täter oder Opfer erlebt, zwischen 4 und 6 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben bereits Happy Slapping erfahren oder sexualisierte Fotos von sich verschickt. Auffällig ist laut Dr. Karin Knop auch die Angst, etwas zu verpassen und aus dem Kommunikationsfluss ausgeschlossen zu sein (Fear of missing out, FoMO): „Dies ist der stärkste Erklärungsfaktor für unkontrollierte, exzessive und risikobetonte Handynutzung. Wenn Kinder und Jugendliche zusätzlich einen hohen Anpassungsdruck an ihren Freundeskreis verspüren und dieser Freundeskreis eine ‚Always-on‘-Mentalität lebt, lassen sie sich besonders stark durch ihr Handy ablenken.“

Smartphone in der Familie

Handys und mobiles Internet bringen im familiären Alltag einerseits viele Erleichterungen. Eltern und Kinder sind sich einig: Der größte Vorteil ist die vereinfachte Kommunikation und Alltagsorganisation. Man kann sich unkompliziert verabreden, etwas nachfragen, Bescheid geben und ist besser für Notsituationen gewappnet. Im alltäglichen Familienleben kommt es allerdings auch zu Reibungspunkten. So ist vor allem das zeitliche Ausmaß des kindlichen Handykonsums Grund für Konflikte. Aktive Handyerziehung, die über Restriktionen und Regelungen hinausgeht, wird offenbar auch dadurch erschwert, dass das Handy vorrangig ein mobil und individuell genutztes Medium mit kleiner Bildschirmgröße und privatem Charakter ist, und sich deshalb dem unmittelbaren Einfluss der Eltern entzieht.

Impulse für die Pädagogik: „Kommunikation und menschliches Miteinander“

Die Studie bietet zahlreiche Impulse und Anknüpfungspunkte für Eltern und die pädagogische Arbeit. Zwar besitzen Kinder und Jugendliche bei der Handhabung von Geräten und Apps oft einen Wissens- bzw. Bedienungsvorsprung vor Eltern und Lehrkräften – eine Tatsache, die für LfM-Direktor Dr. Jürgen Brautmeier jedoch einen aufholbaren Rückstand darstellt: „Die Studie zeigt, dass beim Großteil dessen, was mit dem Handy und mobilen Internet betrieben wird, es um Kommunikation und menschliches Miteinander geht. Hier haben Erziehende wiederum einen Vorsprung, der sie dazu ermuntern sollte, mit Kindern und Jugendlichen über die Nutzung ins Gespräch zu kommen.“ Auch hierzu biete die LfM-Studie Impulse.

Bibliografische Informationen

Knop, Karin; Hefner, Dorothée; Schmitt, Stefanie; Vorderer, Peter: Mediatisierung mobil. Handy- und Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen. Leipzig (Vistas), 2015. Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), Band 77. ISBN 978-3-89158-616-7.

Eine Zusammenfassung der Studie und weitere Informationen unter www.lfm-nrw.de/alwayson. An gleicher Stelle wird in den kommenden Tagen ein Tagungsbericht veröffentlicht.

Industrie 4.0 – Wenn Maschinen Bedeutung verstehen

Konferenz mit internationalen Technologie-ExpertInnen von Yahoo, NASA und Co. zu Status Quo und Zukunft semantischer Technologien

Vom 15. bis 18. September wird Wien zum Treffpunkt der internationalen Semantic Web Community bei der 11. SEMANTiCS-Konferenz. Die Veranstaltung informiert über den State-of-the-Art semantischer Technologien und führt im Rahmen von branchen- und themen-spezifischen Sitzungen ExpertInnen und interessierte Laien aus Industrie und Forschung zum Wissensaustausch zusammen. Das reichhaltige Programm der SEMANTiCS 2015 umfasst fünf Keynotes, zahlreiche Networking Gelegenheiten, über 50 Vorträge sowie zahlreiche Workshops für Themenneulinge.

Neue Formen der Datenverarbeitung
Der Einsatz von semantischen Systemen in Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung geht Hand in Hand mit der wachsenden Menge an Daten, die automatisiert verarbeitet werden müssen. Begriffe wie Big Data, Open Data, Smart Systems oder Industrie 4.0 stehen stellvertretend für diese Entwicklung und die Notwendigkeit der kosteneffizienten Verarbeitung geschäftsprozessrelevanter, oftmals verteilter Daten.

Die Grundlage für neue Formen der Datenverarbeitung bilden u.a. semantische Systeme, die dabei helfen Information für die maschinelle Verarbeitung aufzubereiten, sinngenau zu analysieren und dadurch innovative Anwendungen und effizientere Integration zu ermöglichen.

Forschung und Entwicklung im Bereich semantischer Systeme ist in Europa stark verankert. Angestoßen durch europäische und nationale Förderprogramme hat sich in den letzten zehn Jahren eine stetig wachsende Softwareindustrie rund um semantische Systeme entwickelt.

Im Rahmen der SEMANTiCS-Konferenz werden zahlreiche Projekte vorgestellt, die zeigen, wie Unternehmen und öffentliche Organisationen Gebrauch von semantischen Systemen machen und diese in ihre IT-Landschaft implementiert haben.

Weiter Infos zur Konferenz: http://www.semantics.cc/

Wie Digitalisierung unser Leben und Wirtschaften grundlegend verändert Kühne Logistics University – Wissenschaftliche Hochschule für Logistik und Unternehmensführung

Industrie 4.0 verändert nicht nur Produktion und Dienstleistungen grundlegend, sie stellt auch die IT-Branche selbst und das Bildungswesen vor ganz neue Herausforderungen. Das ist das Fazit des ersten Kühne Logistics University Forums, das gestern (7. Juli 2015) in Hamburg zum Thema „Digitalization & Logistics – Challenges of the next decade“ über 100 Experten aus der IT- und Logistikbranche zusammenführte.

In ihren Vorträgen machten Franz Hero, SAP-Senior Vice President Supply Chain & Logistics Development und Karl-Heinz Streibich, CEO Software AG deutlich, wie hoch der Grad der Digitalisierung schon heute in der Wirtschaft und Alltagswelt ist und dass sich das Tempo der Veränderungen noch beschleunigen wird. E2E Process Management, Smart autonomous assets, 3D printing & virtualization, Digital workflows and platforms, New kinds of human interaction oder Big data sind die neuen Themen, die uns in den nächsten Jahren zunehmend beschäftigen werden.

Während sich vor 20 Jahren die Wirtschaft der IT bediente, ist IT heute aus keinem Bereich des Wirtschaftens mehr wegzudenken. Sie ist Bestandteil des Produzierens geworden. Die Wirtschaft wird digital. Und die erfolgreichsten und wertvollsten Unternehmen heute sind digitale Unternehmen. „Hier hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen, der ganz neue Fragen aufwirft und auch ganz andere Antworten erfordert“, sagte Professor Thomas Strothotte, Präsident der KLU. Der studierte Informatiker machte deutlich: „Wenn die Wirtschaft IT getrieben ist, müssen alle, vom Facharbeiter bis zum Topmanager, in IT-Kategorien denken, um die wirtschaftlichen Kernprozesse zu verstehen. In gleicher Weise müssen IT-Experten Wissen über die branchenspezifischen Besonderheiten erwerben. Denn ein Automobilkonzern braucht andere IT-Lösungen, als ein Logistikdienstleister oder ein Verlagshaus. Standardmodelle funktionieren nicht mehr.“

Die entscheidende Frage für Unternehmen heute lautet nur noch: gibt man die Softwarekompetenz an Dritte ab oder wird man selbst zu einem digitalen Unternehmen? Eigene Softwarekompetenz erhöht auf jeden Fall die Wettbewerbsfähigkeit und sichert die Unabhängigkeit der Unternehmen.

Am Beispiel der Logistikwirtschaft machte dies Dr. André Ludwig, Associate Professor of Computer Science in Logistics an der KLU, in seinem Vortrag „Digital transformation shaping logistics of the next decade“ eindrucksvoll deutlich. Welche weitreichenden Konsequenzen das allein in dem viel beachteten Bereich 3D-Druck hat, stellte Dr. Kai Hoberg, Associate Professor of Supply Chain and Operations Strategy, in seinem Vortrag „Beyond the hype of 3D-printing – how to unlock the value of additive Manufacturing“ mit überraschenden Analysen und Querbezügen dar.

Ein wichtiges Ergebnis dieses ersten Kühne Logistics University Forums liegt auf einem noch ganz anderen Gebiet. „Dieser tiefgreifende Wandel muss sich auch in unserer Hochschulausbildung niederschlagen. Der Wettbewerb wird sich künftig auch daran entscheiden, wer über die am besten ausgebildeten Fachleute verfügt“, sagte Professor Thomas Strothotte. „Die Digitalisierung treibt nicht nur die Logistik- und IT-Branche. Sie treibt auch uns. Deshalb werden wir einen neuen Master-Studiengang ins Leben rufen. Sein Thema: IT & Logistics.“

Quelle: Kühne Logistics University – Wissenschaftliche Hochschule für Logistik und Unternehmensführung

Klimawandel: Die Meere können nicht mehr Forscher befürchten einen grundlegenden Wandel der Ozeane – selbst bei Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes

Seit vorindustrieller Zeit ist die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre unseres Planeten von 278 auf 400 ppm (parts per million) gestiegen. Ein Plus von 40 Prozent, das in den Ozeanen grundlegende Veränderungen in Gang gesetzt hat. „Die Weltmeere funktionierten bisher als Kühlschrank und Kohlendioxidspeicher unserer Erde. Sie haben zum Beispiel seit den 1970er Jahren rund 93 Prozent der durch den Treibhauseffekt von der Erde zusätzlich aufgenommenen Wärme gespeichert und auf diese Weise die Erwärmung unseres Planeten verlangsamt“, sagt Prof. Hans-Otto Pörtner, Co-Autor der neuen Ocean-2015-Studie und Wissenschaftler am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.Ein tropisches Korallenriff. Foto: A. Venn Ein tropisches Korallenriff. Foto: A. Venn

Für diese Klimaleistung zahlen die Ozeane jedoch schon heute einen hohen Preis: Die Wassertemperatur steigt bis in Tiefen von 700 Metern, weshalb Arten innerhalb eines Jahrzehntes bis zu 400 Kilometer weit Richtung Pol abgewandert sind. Kalkskelette von Korallen und Muscheln können angesichts der zunehmenden Versauerung in vielen Meeresregionen nicht mehr so gut gebildet werden. Das Eis in Grönland und der Westantarktis schmilzt immer stärker und trägt zum Meeresspiegelanstieg bei. Infolge all dessen verändern sich die biologischen, physikalischen und chemischen Abläufe im Lebensraum Meer – und das mit weitreichenden Konsequenzen für das Leben im Meer und für den Menschen.

In der neuen Studie hat das Forscherteam der Ocean 2015-Initative nun auf Basis zweier Emissionsszenarien (Szenario 1: Erreichen des 2-Grad-Zieles/ Szenario 2: Wir machen weiter wie bisher) die Kernaussagen des 5. Weltklimaberichtes sowie aktueller Fachliteratur zusammengefasst und in Hinblick auf die Risiken für die Ozeane bewertet. „Wenn es gelingt, den Anstieg der Lufttemperatur bis zum Jahr 2100 auf unter zwei Grad Celsius zu beschränken, steigt das Risiko vor allem für tropische Korallen und Muscheln in niedrigen bis mittleren Breiten auf ein kritisches Niveau. Andere Risiken bleiben in diesem Fall eher moderat“, sagt Leitautor Jean-Pierre Gattuso. Für diese bestmögliche Option bedürfe es jedoch einer schnellen und umfassenden Reduktion des Kohlendioxidausstoßes, so der Forscher.

Bleiben die Kohlendioxid-Emissionen dagegen auf dem derzeitigen Niveau von 36 Gigatonnen pro Jahr (Stand 2013), wird sich die Situation der Meere dramatisch verschärfen. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden die Veränderungen bis zum Ende dieses Jahrhunderts nahezu alle Ökoysteme der Ozeane betreffen und den Meereslebewesen nachhaltig Schaden zufügen“, so Hans-Otto Pörtner. Dies wiederum hätte gravierende Auswirkungen auf alle Bereiche, in denen der Mensch den Ozean nutzt – sei es in der Fischerei, im Tourismus oder beim Küstenschutz.

Die Wissenschaftler geben außerdem zu bedenken, dass mit jedem weiteren Anstieg der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre die Optionen zum Schutz, zur Anpassung und zur Regeneration der Meere geringer werden. „Der Zustand der Weltmeere liefert schon heute überzeugende Argumente für eine schnelle und umfassende Reduktion des weltweiten Kohlendioxidausstoßes. Jede neue politische Klimavereinbarung, welche das Schicksal der Ozeane außer Acht lässt, kann deshalb von vornherein nur unzureichend sein“, schreiben die Autoren im Schlusswort ihrer Studie.

Mit diesem Plädoyer zielen die Wissenschaftler auf die internationale Klimakonferenz COP21 ab, die im Dezember dieses Jahres in Paris stattfinden wird. Deren Verhandlungsführern und Entscheidungsträgern geben sie in ihrer Studie folgende vier Kernaussagen mit auf den Weg:

  1. Die Weltmeere beeinflussen maßgeblich das Klimasystem der Erde und nutzen dem Menschen auf vielerlei wichtige Weise.
  2. Die Auswirkungen des vom Menschen gemachten Klimawandels auf Schlüsselarten im offenen Ozean und in Küstenregionen sind heute schon nachweisbar. Vielen dieser Tier- und Pflanzenarten drohen in den kommenden Jahrzehnten große Risiken, selbst wenn es gelingt, den Kohlendioxidausstoß zu begrenzen.
  3. Wir brauchen dringend eine sofortige und umfassende Reduktion des Kohlendioxidausstoßes, wenn wir großflächige und vor allem unumkehrbare Schäden am Lebensraum Meer und an seinen Dienstleistungen für den Menschen verhindern wollen.
  4. Mit dem Anstieg der Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre sinken die Optionen zum Schutz und zur Regeneration der Meere sowie die Chancen der Lebewesen, sich an die schnell voranschreitenden Veränderungen anzupassen.Die Ocean 2015-Initiative war ins Leben gerufen worden, um Entscheidungsträgern der COP21-Verhandlungen umfassende Informationen zur Zukunft der Ozeane zur Verfügung zu stellen. Das internationale Wissenschaftlerteam wird unterstützt durch die Prince Albert II von Monaco Foundation, das Ocean Acidification International Coordination Center of the International Atomic Energy Agency; die BNP Paribas Foundation und die Monégasque Association for Ocean Acidification.

    Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, haben in den zurückliegenden Jahren mit vielen Untersuchungen zum aktuellen Wissensstand beigetragen. Im Mittelpunkt ihrer Forschung steht unter anderem die große Frage: „Wie verändert der Klimawandel die Ökosysteme in den Polarregionen?“

Quelle: Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
Die Langfassung der Studie finden Sie im Science-Webportal unter: http://www.sciencemag.org/lookup/doi/10.1126/science.aac4722